Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
wir stehen am Beginn einer weltweiten Wirtschaft- und Finanzkrise. Banken, Industrie- und Handelskonzerne sind pleite oder stehen vor dem Konkurs. Hunderte Milliarden Euro und Billionen Dollar stellen die kapitalistischen Staaten zur Verfügung, um die kriminellen Vereinigungen der Finanzspekulanten (§129 StGB) mit „Rettungsschirmen“, d.h., mit Steuergeldern vor dem Bankrott zu retten. Sie gehören nicht belohnt sondern hinter Gitter.
Ein Bruchteil dieser Summe war nie vorhanden (und nicht gewollt) für notwendige Kindertagesstätten, kostenlose Bildungseinrichtungen, Instandhaltung von Krankenhäusern; zum Erhalt armutsverhindernde Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherungen. Systematisch werden diese im Interesse des Kapitals zerschreddert – die Lohnabhängigen enteignet.
Und die kapitalistischen Staaten haben ungeheure Summen an das Schurken-Finanzsystem und den maroden Kapitalismus verteilt, aber nichts für hunderttausende verhungernder Kinder, für Milliarden Menschen, die hungern und verhungern. Ein Bruchteil dieser Summe kann diese Menschen retten. Sie tun es nicht. Völkermord? Völkermord!
Die dem kapitalistischen System immanenten Krisen verursachen durch Überkapazitäten, Wirtschaftseinbrüchen, drohenden Insolvenzen und Pleiten Massenentlassungen, Druck auf Einkommen, Arbeitszeitverlängerung und Ausbeutung. Z.B. bei Opel schießt der Staat erhebliche Summen (2,5 Mrd.) zu, um die Insolvenz zu verhindern. Ob die Kaufinteressenten Konzernteile schließen und wieviel tausend Arbeiter auf die Straße fliegen, ist ungewiß. Sicher ist, daß Löhne und Sonderzahlungen um 1,5 Mrd. Euro gekürzt werden. Der Vorsitzende der IG Metall verlangt weder Garantien für Einkommen und Arbeitsplätze noch wird Widerstand organisiert. Er will Einkommensteile der Lohnabhängigen, die diesen genommen werden, in eine Unternehmensbeteiligung von 10 % umwandeln, über die sie nicht verfügen können. Das ist desorientierend – das ist ein Irrweg, das ist unverzeihlich angesichts der Erfahrungen bei General Motors. Unternehmensbeteiligungen, betriebliche Krankenversicherungen und Verzichtspakete gingen mit den Lohnabhängigen und ihren Arbeitsplätzen zusammen mit dem Konzern den Bach runter; arbeitslos und ärmer.
Die Lohnabhängigen können nicht auf Einkommensteile verzichten. Sie leben von einem Lohntag zum nächsten. Das können sich Vorstands- und Managergehälterbezieher nur schwer vorstellen, also sagen wir es ihnen.
Wenn wir sagen: „Wir zahlen Eure Krise nicht“ müssen wir kämpfen und nicht verzichten. Verzicht sichert keinen Arbeitsplatz.
Vorhandene Überkapazitäten und Millionen Arbeitslose machen Arbeitszeitverkürzung zur dringlichsten Aufgabe. Arbeitszeitverlängerung ist schandbar – ob durch Rente ab „67“ oder wöchentlich.
Notwendige kurz- und mittelfristige Forderungen:
Machen wir uns nichts vor: Die entgegengesetzten Interessen in der Klassengesellschaft können nicht mit Co-Management- und Sozialpartnerschafts-Ideologien und auch nicht mit Wegducken aufgelöst werden. Wir brauchen Gewerkschaften, die nicht kuschen, die den Klassenkampf von oben nicht vernebeln und erdulden, sondern die ihn von unten führen. Gewerkschaften, die Widerstand organisieren, die die Mitglieder in ihren Entscheidungen einbeziehen und Mitglieder, die nicht zu Hause bleiben, wenn der Kampf beginnt, die eben nicht bitten und betteln und verzichten sondern bewußt ihre Interessen solidarisch und kämpferisch gegen Kapital und Kabinett vertreten. Dazu brauchen wir das Mittel des Generalstreiks, das wir erkämpfen müssen. Denn der Staat an der Seite des Kapitals hat die Militarisierung der Außen- und der Innenpolitik und die Überwachungspotentiale vorangetrieben. Nicht als Selbstzweck: Sie rechnen mit Unruhe und Widerstand in Zeiten der Wirtschaftskrise, deren Lasten auf Arbeiter, Angestellte, Beamte, Rentner, Kranke, Arbeitslose, Hartz IV-Bestrafte, Schüler und Studierende nach der Wahl abgeladen werden.
Gegen diese ausgebauten staatlichen Gewaltmittel und die Macht der Monopole kann nur die organisierte Arbeiterbewegung Gegenmacht entwickeln. Dazu braucht sie Klarheit und Einheit. Einheit nicht als Selbstzweck. Die Aufgabe: Arbeiter und Bevölkerung aufzuklären über den kapitalistischen Staat, parteiisch die objektiven Interessen der Arbeiterklasse und der Bevölkerung benennen und dafür eintreten und die Ge- und Verbrechen des Kapitals beim Namen nennen.
Viele hundert Milliarden-Euro Schäden haben die kriminellen Finanzspekulanten planmäßig verursacht. Dafür müssen sie und die Nutznießer mit ihren Firmen- und Privatvermögen haften. Realistisch müssen wir jedoch davon ausgehen, daß sie und der kapitalistische Staat uns nach den Wahlen ausnehmen wie eine Weihnachtsgans nur öfter. Wenn wir die Krise nicht bezahlen wollen, müssen wir uns erheben und mehr Widerstand in den Betrieben entwickeln, damit die Gewerkschaftsapparate in Bewegung kommen. Der Vorsitzende der IG Metall Huber hat die Dimension der Krise noch nicht begriffen („....die Wirtschaft kränkelt...“) oder will er sie aussitzen? Von Widerstand organisieren keine Spur. Oder glaubt er und die IG Metall mit einer einzigen Demonstration könne er, wie so oft vergeblich, auch nur einen der massiven Angriffe des kapitalistischen Staates, der Monopole und deren Verbände abwehren?
Für uns Gewerkschafter muß klar sein, daß wir die alltäglichen Auseinandersetzungen, die Arbeitskämpfe und die großen allgemeinen Kämpfe führen und unterstützen müssen, wenn wir nicht im barbarischen kapitalistischen Sumpf ersäuft werden wollen.
Dennoch überbewerten darf man diese Kämpfe nicht. Es sind und waren immer nur Kämpfe gegen Wirkungen und nie gegen die Ursachen der Wirkungen.
Und solange wir die Ursachen – das kapitalistische Profitsystem – nicht bekämpfen und beseitigen, bekämpfen wir nur (oder erleiden sie) die Wirkungen dieses Systems: Immer wieder die Folgen kapitalistischer Krisen, Massenarbeitslosigkeit, zunehmende Arbeitshetze und Ausbeutung, die Zerschredderung der Sozialsysteme, Reallohnverluste, schleichende oder offene Faschisierung, Krieg und Vernichtung, Hunger und Elend weltweit.
Solange werden erkämpfte Positionen der Arbeiterbewegung immer wieder in Frage gestellt und zerstört – begleitet von der perfidesten und verlogensten Propaganda der kapitalistischen Medienkonzerne. In diesem System gibt es für die abhängig Beschäftigten keine Sicherheit – entweder Kampf und Würde und Sozialismus oder Unterwerfung und Barbarei.
Sehr geehrte Freunde, Genossinnen und Genossen,
Ihr geht aus den Betrieben. Ihr geht auf die Straße und vor die Betriebe. Ihr klärt auf über den Notstand der Republik, über die sozialen, politischen und ökonomischen Folgen und Gefahren der weltweiten kapitalistischen Wirtschaftskrise. Eine beispielhafte, eine notwendige Aktion, die ich unterstütze. Mit Eurer Aktion und mit Euren Teilnehmern kämpft Ihr auch um die Einheit der Arbeiter – und Gewerkschaftsbewegung. Ihr leistet einen Beitrag, die Arbeiterklasse zu vereinen. Es ist dringend und notwendig, die Zellteilung der vielen kommunistischen und sozialistischen Parteien und Gruppen zu beenden und vereint und stärker den Feind im Interesse der Arbeiterklasse zu bekämpfen. Es ist nicht einfach aber machbar.
Ein Letztes: Ich bin für Klassenkampf aber auch für Wahlkampf.
Alles Gute und eine erfolgreiche Aktion!
Offener Brief von Walter Malzkorn: Als PDF