Viele meiner Bekannten befürchten eine spürbare Verschlechterung ihres Lebensniveaus nach den Bundestagswahlen, gleich, hinter welchem Parteienvertreter sie das Kreuz machen. Sie wissen, dass die Wahl die wirtschaftlichen Machtverhältnisse nicht antastet und Wahlversprechen nicht viel wert sein werden. Doch agierende Politiker können wahrheitsgemäß auf Missstände hinweisen. Das Aufzeigen der Ursachen der vom Kapitalismus herbeigeführten Krise; Wachsamkeit, damit das Grundgesetz nicht weiter ausgehöhlt wird; Aufzeigen von sozialistischen Alternativen sowie das unbedingte Verurteilen von Kriegen, das alles zu vertreten sind für mich die Voraussetzungen, um einen Politiker wählen zu können. Und darum ist ein Wahlboykott für mich keine Lösung. Der nicht genutzte Platz würde die Position von Rechtspopulisten stärken.
Die Aktion „ Klassenkampf statt Wahlkampf“ gegen den Notstand der Republik unterstütze ich deshalb nach Kräften, weil im Bewusstsein des Volkes rechtzeitig die Tatsache ankommen muss, mit welch kriminellen, die Demokratie aushöhlenden Mitteln die besitzende Klasse sich auf zukünftige Machtkämpfe vorbereitet. Das ist schon lange im Gange, z.B. mit der Ausweitung der Überwachung, mit dem Einsatz von Panzern und der Luftwaffe der Bundeswehr gegen Andersdenkende im Inland, mit dem Testen und Einlagern von Elektroschockern, einer lebensbedrohlichen Waffe gegen unbewaffnete Menschen, dem Aufbau von Heimatschutzverbänden in faschistischer Tradition und dem Benutzen der Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes als Streikbrecher. Ein Bekannter, der in dieser Organisation tätig ist, hat schon mehrmals selbstlos unter Einsatz seines Lebens in der Welt Menschenleben gerettet. Seine Familie ist stolz auf ihn. Ich hoffe, dass er die richtige Entscheidung trifft, wenn er aufgefordert wird, sich im Arbeitskampf um bessere Arbeitsbedingungen gegen Streikende zu wenden.
Unerträglich ist es für mich, dass in Kriege zu ziehen wieder als Zukunftschance für Jugendliche hingestellt wird und es eine schleichende Akzeptanz von Eroberungskriegen gibt. Angehörigen von „Gefallenen“ gibt man mit einem Kriegerdenkmal einen Platz zum Weinen. Und dagegen gibt es keinen Aufschrei. Eure Aktion ermutigt mich, denn sie klärt auf und prangert an. Ich hoffe, die Beteiligten an dem LKW- Konvoi erreichen viele Herzen der den Reichtum der Gesellschaft schaffenden Bevölkerung.
Gabriele Senft, Fotojournalistin, Autorin der Buchdokumentation „Die Brücke von Varvarin“