Gabriele Heinecke

Zweimal seit der Reichsgründung 1871 folgte die deutsche Politik dem gleichen Muster: unter gleichzeitiger Aufrüstung im Innern erst Vorherrschaft über Europa, dann Weltmachtanspruch, dann Krieg. Heute ist Deutschland wieder die stärkste ökonomische Macht in Europa. In der nach Osten erweiterten Europäischen Union werden die alten Mitteleuropapläne Wirklichkeit, für die Wilhelm II. noch vergeblich kämpfte. Der Anspruch gegen die Welt ist im „Weißbuch 2006 – zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ unmissverständlich formuliert: die Durchsetzung des „freien und ungehinderten Welthandels als Grundlage unseres Wohlstandes.“ Daran wird gearbeitet – nicht nur im afghanischen Krieg.

Im Innern werden unter dem Vorwand von „Sicherheit und Terrorbekämpfung“ im scharfem Tempo verfassungswidrige Rechtsänderungen vorangetrieben. Sie eignen sich kaum zur Terrorabwehr, sehr wohl allerdings zum Vorgehen gegen eine Arbeiter- und Bürgerbewegung. Sie gehen mit einem grundlegenden Staatsumbau einher. Nach dem Grundsatz „auf den Müll mit den grundlegenden Lehren aus dem deutschen Faschismus“ wird die Trennung von vollzugspolizeilichen und geheimdienstlichen Aufgaben, von äußerer und innerer Sicherheit, von polizeilichen und militärischen Aufgaben aufgehoben. Die Zusammenführung und Zentralisierung der eigentlich strikt zu trennenden Aufgaben hat inzwischen ein behördliches Ungetüm hervorgebracht, das man „Bundessicherheitshauptamt“ nennen könnte. Im gleichen Schritt entstehen hunderte von Heimatschutzkommandos zur Mobilisierung von Reservisten und Zivilbevölkerung, Diese Organisation braucht ein Staat zur Kriegsführung.

Zweimal endete solche Politik in der Katastrophe und es scheint, als nähme das Unglück von Neuem seinen Lauf. 1918 versuchte die revolutionäre Arbeiter- und Soldatenbewegung das System abzuschütteln, das den Krieg verursacht hatte. Das scheiterte an ihrer Uneinigkeit. Die gleiche Uneinigkeit verhinderte es, den deutschen Faschismus und seinen verbrecherischen Terror zu stoppen. Wenn die Aktion „Klassenkampf statt Wahlkampf – Gegen den Notstand der Republik“ auch nur ein Pflänzchen für den Aufbau einer Einheit gegen die Zerschlagung von bürgerlicher Demokratie, gegen die Vorbereitung des Krieges, gegen den Notstand der Republik ist, ist sie schon ein Erfolg.

Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin